Gedanken zum Thema „Manieren nach Corona“
Gutes Benehmen setzt ja ein Bewusstsein für eben solches voraus. Hat dieses Bewusstsein aus Ihrer Sicht und Erfahrung unter der Pandemie und den Schließungen gelitten?
Social Distancing hat sicherlich nicht die Kunst im Umgang miteinander gefördert. Andererseits ist aber vielleicht das Bewusstsein gewachsen, wie wertvoll reale menschliche Kontakt sind und dass es sich lohnt, sich dafür anzustrengen. Denn nichts anderes war Inhalt des Lockdowns: sich anstrengen, damit man wieder zusammen sein kann.
In der ersten Zeit des „Wieder-Zusammenseins“ wird sicherlich etwas Übung für eingerostete Manieren erforderlich sein, aber wer Manieren vorher schon angewandt hat, wird sehen, dass es sich damit wie mit dem Fahrradfahren verhält. Gute Manieren verlernt man nicht.
Wenn Manieren auch den Zeitgeist spiegeln und dies auch für Tischmanieren gilt, erscheint der „post-Corona-Zeitgeist“ ganz schön trist, fast verroht. Ist es aus Ihrer Sicht überhaupt möglich, vergessene Manieren wieder anzutrainieren oder ist die Pandemie eine Zäsur in Sachen Benehmen?
Manieren als Zeitgeist zu betrachteten impliziert in erster Linie die Möglichkeit der Anpassung/des Wandels von Manieren.
Ich glaube nicht, dass die Umgangsformen verroht sind. Die Extremsituation in der wir „ums Überleben“ kämpfen mussten, geht zu Ende und damit auch der Anlass zum „sich durchboxen“.
Wir werden eher erleben, dass die Erleichterung endlich wieder miteinander zu sein, uns besänftigt und den Umgang positiv beeinflusst. Rohheit und egoistisches Verhalten haben im Zusammensein noch nie lange funktioniert.
Die Gesellschaft wird sich neu finden, aber nicht mit negativen Verhalentsweisen. Wir hatten ja alle viel Zeit zum Nachdenken und gehen vielleicht eher mit guten Vorsätzen in Bezug auf Wertschätzung, Achtsamkeit und Nachhaltigkeit in die neue Zeit, weil wir gesehen haben, wie wichtig dieses Aspekte für uns sind.