Linda Kaiser

Frage an die Knigge-Expertin:

Sehr geehrte Frau Kaiser,

mir geht es heute um das „Auftunken von Soßen“ und zwar mit „dem Brot in der Hand“, genauer gesagt „mit dem Finger“.

Bei Dingen, wie z.B. Schalentiere, wie Krabben usw, die man mit den Fingern ißt, wird es sicherlich den Tischsitten der meisten Länder entsprechen, wenn dann auch die Soße mit dem Brot in der Hand aufgetunkt wird, also nicht mit der Gabel.

Was ist meine Frage?

In letzter Zeit habe ich oft beobachten müssen, dass selbst in Restaurants mit sogenanntem „gehobenen“ Publikum bei normalen Fleischgerichten die Soße mit dem „Brot in der Hand“- ohne Gabel- aufgetunkt wurde, auch der Teller wurde feinsäuberlich geputzt.

Das dieser Anblick mit meinen – natürlich unmaßgeblichen – Vorstellungen von „angemessenen“ Tischsitten nicht zu vereinbaren ist, brauche ich nicht zu erwähnen.

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Zeit für eine kleine Stellungnahme zu meinem „Problem“ erübrigen könnten.

Sehr geehrter Herr,

Herzlichen Dank für Ihre Anfrage die ich Ihnen gerne wie folgt beantworten möchte:

Für die Aufnahme von Speisen bei Tisch gibt es, wie Sie selbst erklären, klare Regeln. Selbstverständlich ist hierfür das Besteck zu nutzen. Bei Speisen, die ohne Zuhilfenahme der Hände nicht verspeist werden können, steht für die Hygiene eine Schale mit Wasser und Zitrone oder ein ähnliches Hilfsmittel wie ein feuchtes Tuch, für den Gast bereit. Ist die Vorbereitung des Speiseguts mit den Händen abgeschlossen und sind diese wieder gereinigt, wird die Speise dann wiederum mit dem Besteck zum Mund geführt und nicht mit den Händen. Mit den Händen essen wir eigentlich generell nicht, ausgenommen das Brot vom Brotteller.

Allerdings in mediterranen Ländern ist das Auftunken der Sauce mit dem Weißbrot Gang und Gebe. Im italienischen hat diese Art zu genießen sogar eine eigene Bezeichnung: „fare la scarpetta“; und ist auch bei uns in Deutschland in französischen und italienischen Restaurants absolut in Ordnung.

Nun ist ein schönes Essen generell ein sinnlicher Genuß, den viele Menschen heutzutage auch gerne mit allen Sinnen genießen wollen. Insbesondere, wenn es sich um besonders raffinierte Speisen handelt, wie gelungene Saucen, fühlt sich mancher, wie Sie beobachtet haben, dazu verleitet, die guten Tischmanieren beiseite zu schieben und hemmungslos zu genießen. Der Anblick mag befremdlich sein und sollte weder gutgeheißen, noch als Vorbild für eventuell anwesende Kinder herangezogen werden, aber als Kenner der Knigge-Philosophie, den Menschen dort abzuholen, wo er steht, wollen wir die geschilderten Vorgänge doch mit der gebührenden Toleranz „übersehen“ und hoffen, daß sich die „Tellerputzer“ im Ernstfall wieder auf die geltenden Regeln besinnen.

Solange wenigstens das Brot noch für die Saucenaufnahme hinhalten darf, besteht noch Hoffnung, der Finger hat in der Sauce auf dem Teller jedoch bei aller Toleranz nichts zu suchen. Ein Mensch der im Geiste Knigges handelt, sieht aber auch geflissentlich über solche Fehler hinweg. Sie hätten nie passieren dürfen… wer allerdings sein Fehlverhalten ankündigt und die Regeln bricht, dem kann man auch mal sein Non-Knigge-konformes Verhalten nachsehen.

Bleiben Sie Vorbild und bleiben Sie tolerant!

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